Letzter Versuch Pandemieabkommen: Was es regelt und wo es hakt Von Christiane Oelrich, dpa

Lockdowns, knappe Impfstoffe und zusammengebrochene Lieferketten -
mit einem Pandemieabkommen will die Weltgemeinschaft Fehler aus der
Corona-Pandemie künftig vermeiden. Doch die Verhandlungen sind
schwierig.

Genf (dpa) - Die Corona-Pandemie hat das Leben der Menschen weltweit
auf den Kopf gestellt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und
deren 194 Mitgliedsländer wollen mit einem neuen internationalen
Abkommen bei möglichen zukünftigen Pandemien besser gewappnet sein.
Die Verhandlungen am Montag in Genf gelten als letzter Versuch für
eine Einigung. Worum es bei dem geplanten Pandemie-Abkommen geht. 

Was soll das Abkommen genau regeln?

Die Forderungen waren umfangreich: Dass mehr Impfstoffe für die
Verteilung in armen Ländern reserviert werden. Dass die Produktion
von Impfstoffen ungeachtet von Patentregeln weltweit schnellstens
angekurbelt werden kann. Dass Pharmafirmen bei staatlicher
Forschungsunterstützung einen Teil ihrer Produktion günstig abgeben.
Dass ein globales Lieferketten- und Logistiknetzwerk sicherstellt,
dass jedes Land bekommt, was es braucht. Dass Verträge über Material
und Impfstoffe offengelegt werden, damit nicht der höchste Bieter das
meiste bekommt, und vieles mehr.

Welche Probleme gab es während der Corona-Pandemie?

Während der Corona-Pandemie wurden weltweit Fehler gemacht. China
etwa hat spät über das Virus informiert, manche Länder haben im
Alleingang Reisebeschränkungen und Eindämmungsmaßnahmen beschlossen.

Lieferketten brachen zusammen, Regierungen machten sich Maskenpakete
streitig. Auch die Bundesregierung verhängte für zwei Wochen einen
Exportstopp für Schutzausrüstung. Als es endlich Impfstoff gab,
rissen sich reiche Länder den Großteil unter den Nagel. Während
vielerorts schon die zweite oder dritte Schutzimpfung verabreicht
wurde, warteten ärmere Länder noch auf die erste Lieferung. Auch
Indien, wo viel Impfstoff zum Export produziert wurde, erließ wegen
eigener hoher Infektionszahlen plötzlich einen Exportstopp. Das alles
sollte sich nicht wiederholen, das war die Ursprungsidee für das
Abkommen. 

Wie laufen die Verhandlungen?

Zäh. Ende März waren die Fronten völlig verhärtet. Deshalb liegt
jetzt ein neuer Entwurf auf dem Tisch, der um ein Drittel auf 23
Seiten gekürzt wurde. Besonders umstrittene Details sollen nun erst
im Laufe des Jahres geklärt werden. Organisationen und manche Länder
protestieren, weil für sie wichtige Bestimmungen unter den Tisch
gefallen sind. «Es wird schwierig», sagte ein Verhandler in Genf.
«Pessimismus ist eine Verhandlungstaktik, die sich die Welt echt
nicht leisten kann», sagte Michelle Childs von der Organisation Drugs
for Neglected Diseases Initiative, die sich für Chancengleichheit für
ärmere Länder einsetzt. Das Abkommen soll bei der WHO-Jahrestagung
Ende Mai/Anfang Juni in Genf verabschiedet werden.  

Wo hakt es?

Umstritten ist, ob und wie die Pharmaindustrie verpflichtet werden
soll, Patente freizugeben und Know-how zur Herstellung von Impfstoff
und Medikamenten mit anderen zu teilen. Der Pharmaverband IFPMA will
nur freiwillige Vereinbarungen. Ärmere Länder wollen sich nicht zu
Pandemie-Vorsorge mit Investitionen verpflichten, wenn nicht klar
ist, wie sie finanziell unterstützt werden. Umstritten ist, wie viel
Diagnostika, Medikamente und Impfstoffe gratis oder günstig zur
Verteilung in armen Ländern abgegeben werden sollen. Weil China
internationalen Experten auf der Suche nach dem Ursprung des Virus
monatelang die Einreise verweigerte, wollten manche eine Regelung,
die so etwas künftig verhindert. 

Übernimmt die WHO mit so dem Abkommen dann die Weltregie bei
Pandemien?

Das Abkommen tritt nur in den Ländern in Kraft, deren Parlamente es
ratifizieren. Regierungen würden damit zwar Verpflichtungen eingehen,
aber es gibt keine Sanktionen. Wahrscheinlich müssen Länder sich nur
gegenseitig regelmäßig Bericht erstatten, was auf diese Weise Druck
aufbauen soll. Explizit steht im jüngsten Entwurf, das nichts in dem
Abkommen so interpretiert werden dürfe, dass die WHO die Macht
erhält, Ländern Lockdowns, Impfungen oder Reisebeschränkungen
vorzuschreiben. Das Bundesgesundheitsministerium schrieb auf eine
kritische Petition im September 2023 hin: «Durch den Pandemie-Vertrag
der WHO werden weder die Grundrechte noch die Menschenrechte
eingeschränkt.» 

Geht es bei dem Abkommen vor allem um Gerechtigkeit für ärmere
Länder? 

Nein, es hat Nutzen für die Menschen weltweit. Wenn eine Pandemie in
allen Ländern besser gemanagt wird, kann sich ein Virus im besten
Fall gar nicht so stark ausbreiten. Dann wären nicht so drastische
Einschränkungen nötig wie in der Corona-Pandemie. Zudem soll die WHO
ein Lieferketten-Netzwerk aufbauen, damit im Pandemiefall alle Länder
das Material schnell bekommen, das sie brauchen, und nirgends
Schutzausrüstung oder anderes Material knapp wird.